Monthly Archives: August 2014

Gegen die Dummheit der Antisemiten ist kein Kraut gewachsen – auch bei facebook nicht!

Früher Protagonist des Antisemitismus in Deutschland Martin Luther

Früher Protagonist des Antisemitismus in Deutschland: Martin Luther.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Mitarbeiter von www.camera.org (Committee for Accuracy in Middle East Reporting in America) hatten sich schon gefreut: facebook nahm endlich die Seite vom Netz, auf der die ebenso absurde wie bösartige Lüge vom jüdischen Ritualmord an christlichen Kindern verbreitet wurde. Doch die Freude kam zu früh: „Jewish Ritual Murder“ wurde zwar kurzzeitig aus dem sozialen Netzwerk entfernt, jedoch nach 24 Stunden wieder zugelassen.

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Antisemitische Schrift aus dem Jahr 1543, in der Luther die Ritualmordlegende verbreitet.

 

Camera hatte eine lange Kampagne geführt, um die Präsenz der facebook-Seite im Web zu beenden. Auch andere zivilgesellschaftliche Gruppen, so die Anti-Defamation League, unterstützten den Versuch, die Verbreitung dieses Machwerks übelster antisemitischer Propaganda zu unterbinden. Schließlich willigten die facebook-Administratoren ein. Kaum einen Tag später war die Seite wieder im Netz. Facebook teilt dazu mit: „Wir haben die Entscheidung über die gemeldete Seite Jewish Ritual Murder revidiert. Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt, eine Seite zu melden, die nach eurer Meinung unsere Netzwerk-Standards verletzt. […] Wir haben die Seite, die ihr als von Hass-Aussagen oder -Symbolen gekennzeichnet gemeldet habt, noch einmal überprüft. Wir finden, dass sie unsere Netzwerk-Standards nicht verletzt.“

Die Seite erscheint seitdem wieder in facebook – mit einer wachsenden Zahl von likes. „Jewish Ritual Murder“ wimmelt von abstrusen Schilderungen angeblicher religiös motivierter Gräueltaten von Juden an Christen und Muslimen. Ritualmord sei in der jüdischen Geschichte ein bekanntes Phänomen, das bis auf den heutigen Tag andauere. Das sei eine historisch akzeptierte und weithin anerkannte Tatsache.

Die auch unter dem Begriff „Blutanklage“ bekannte Anschuldigung war seit dem Mittelalter neben den Vorwürfen der Brunnenvergiftung und des Hostienfrevels eine der wesentlichen antisemitischen Verleumdungen, die gegen Juden erhoben werden. Bis auf den heutigen Tag, wenn auch in meist nicht so unverhohlener Form wie auf der fraglichen Seite. Facebook, obgleich von dem amerikanischen Juden Mark Zuckerberg gegründet und entscheidend gestaltet, ist schon wiederholt dafür kritisiert worden, antisemitische Ausfälle auf seinen Seiten zuzulassen. In den „Facebook-Gemeinschaftsstandards“ ist dessen ungeachtet zu lesen:

„Facebook erlaubt keine Hassbotschaften, unterscheidet allerdings zwischen ernsthaften und humorvollen Botschaften. Auch wenn wir dich dazu ermuntern, Ideen, Institutionen, Veranstaltungen und Praktiken in Frage zu stellen, erlauben wir es einzelnen Personen oder Gruppen nicht, andere aufgrund ihrer Rasse, Volkszugehörigkeit, nationalen Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung, Behinderung, ihres Gesundheitszustands oder Geschlechts anzugreifen.“

Welche Virulenz die Ritualmordlegende auch in unserer Zeit noch hat, belegt ein Artikel der schwedischen Tageszeitung Aftonbladet aus dem Jahr 2009, in dem behauptet wurde, in Israel würden palästinensische Jugendliche getötet und ihre inneren Organe vor der Rückgabe der Leichname an die Familien entnommen. Die Zeitung berief sich dafür auf „Zeugenaussagen vor Ort lebender Araber“. Vor diesem Hintergrund ist die Zulassung der Seite „Jewish Ritual Murder“ kaum nachvollziehbar. Oder sollte facebook ihre Botschaft, die immerhin auch die grenzenlose Dummheit der antisemitischen Urheber unter Beweis stellt, etwa für „humorvoll“ halten?


Sisyphusarbeit

Wolfgang Mattheuer Sisyphos behaut den Stein, 1973, Holzschnitt

 

 

 

Wolfgang Mattheuer: Sisyphos behaut den Stein, Holzschnitt (1973).

 

 

 

 

Die Sichtweise, mit der die alternative Öffentlichkeit in Deutschland, die doch den Anspruch hat, kritisch zu sein, auf den Gaza-Konflikt blickt, ist – gelinde gesagt – einseitig. Dagegen anzugehen, scheint mehr und mehr zur Sisyphusarbeit zu werden.

Konfrontiert mit den als Fakten vermarkteten Bildern und Zahlen über die Opfer der von Hamas heraufbeschworenen und von Israel prompt überzogenen Konfrontation, lässt das links-grün-alternative Spektrum jeglichen kritischen Denkansatz fahren. Dabei war vieles, was Hamas als Beleg für das Wüten des jüdischen Aggressors präsentierte, so fadenscheinig wie ein alter Lappen. So mussten unter anderem Fotos von syrischen Bürgerkriegstoten als Opfer der israelischen Angriffe auf Gaza herhalten. Auch Bilder der (jüdischen!) Familie Fogel, die 2011 einem palästinensischen Mordanschlag zum Opfer fiel, wurden als Dokumentationen von Gaza-Kriegsopfern recycelt. Immer wieder wurden die gleichen Video-Aufnahmen der Notaufnahme des Shifa-Krankenhauses im Fernsehen abgespult, so als seien jedes Mal neue grausige Resultate des israelischen Überfalls auf die friedfertigen Palästinenser aufgenommen worden. Darunter auch Patienten, die wegen akuter Erkrankungen, Unfällen oder häuslicher Gewalt eingeliefert worden waren. Sie alle wurden so kurzerhand zu Leidtragenden der jüdischen Barbarei.

Was besonders wundert, ist die gutgläubig-naïve Rezeption der von Hamas präsentierten Opferzahlen durch ein Publikum, das ansonsten reflexartig alles hinterfragt, was durch die Medien verbreitet wird. Die Meldungen von Dr. Ashraf al-Kudra, des Sprechers des Gesundheitsministeriums von Gaza, genossen offenbar uneingeschränktes und spontanes Vertrauen, egal was er verkündete. Seine von Zahlen untermauerten Anschuldigungen gipfelten in dem Vorwurf, Israel ziele absichtlich auf die Zivilbevölkerung und habe es insbesondere auf Alte, Frauen und Kinder abgesehen. Solche Anklagen fanden und finden reiche Resonanz in der meinungsführenden Presse, wie man mehreren Artikeln in der jüngsten Ausgabe der ZEIT entnehmen kann.

Dem gegenüber analysiert die New York Times: die „Bevölkerungsgruppe, die am ehesten die Kombattanten umfasst, männlich und zwischen 20 und 29, ist unter den Toten am stärksten betroffen. Obwohl sie nur 9 % der 1,7 Millionen Einwohner des Gaza-Streifens ausmachen, ist ihr Anteil an den Getöteten, deren Alter angegeben wurde, 34 %. […] Zugleich sind Frauen und Kinder unter 15, die auf keinen Fall legitime Ziele sein dürften, unter den Toten am stärksten unterrepräsentiert, denn sie stellen 71 % der Bevölkerung, jedoch nur 33 % der Opfer mit Altersangabe.“

Auch die BBC untersucht Hamas’ Angaben über die Kriegstoten und kommt zu dem Schluss, Vorsicht sei angesichts der Zahlenangaben vonnöten (“Caution needed with Gaza casualty figures”, BBC-online 11. August). Den britischen Kommentatoren war ebenfalls die unverhältnismäßig hohe Zahl der Männer zwischen 20 und 41 unter den angeblich zivilen Kriegsopfern aufgefallen. Der Bericht schließt mit der Einschätzung, man wisse noch nicht sicher, wie viele der Toten in Gaza Zivilisten und wie viele Kämpfer gewesen seien. Die Rückschlüsse aus den von Hamas verbreiteten Zahlenangaben seien aber jedenfalls verfrüht gewesen. (Quellen: Algemeiner, Sarah Honig’s Blog, Israel Today)

 


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