Wenn die europäischen Regierungen von „inklusivem Wachstum“ schwatzen, dreschen sie nichts als leeres Stroh. Ostersonntag war Welt-Roma-Tag, und während der Papst irgendwelchen Bischöfen die Füße wäscht und die Konzerne an der weltweiten Finanzkrise verdienen, sind die zehn bis zwölf Millionen Roma in Europa immer noch eine ausgegrenzte Bevölkerung, der die reichen europäischen Länder nicht das Schwarze unterm Fingernagel gönnen.
Einem aktuellen Bericht von SOS-Kinderdorf ist zu entnehmen, dass allein in Rumänien die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen in Armut lebt. Roma-Kinder sind die am meisten Benachteiligten von ihnen. Das ist eines der Länder, in die EU-Mitglieder völkerrechts- und EU-vertragswidrig Roma-Familien abschieben.
Nach einem UNICEF-Bericht über die Lage der Roma-Kinder in den Balkan-Ländern („Breaking the Cycle of Exclusion“) wächst die Zahl der ausgegrenzten Kinder, die dort in bitterer Armut leben, oft nur Steinwürfe entfernt von den Hotelterrassen und Stränden, auf denen sich die sonnenölglänzenden Touristen aalen. Wenn wir von der Umsetzung der Millenniums-Ziele (MDGs) sprechen, reden wir nicht nur von den Ländern des Südens. Wir verhindern globale Gerechtigkeit hier bei uns, wenn wir nicht mehr als bisher gegen die Benachteiligung der Roma bei der Arbeits- und Wohnungssuche, in der Bildung und Gesundheitsversorgung und bei der politischen Teilhabe tun.
Laut Amnesty International müssten die Regierungen mit gutem Beispiel vorangehen und aktiv den gesellschaftlichen Vorurteilen entgegentreten, die den Kern der Benachteiligung von Roma- und Sinti-Kindern bilden. Stattdessen weisen sie darauf hin, wie schwierig es sei, diese Bevölkerung „zu erreichen“, da sie sich der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen immer wieder entziehe.
UN-Menschenrechtsexperten haben diese Haltung als heuchlerisch entlarvt. Wenn Regierungen und Behörden leichtfertig akzeptieren, dass eine weitere Generation von Mädchen und Jungen aus Sinti- und Roma-Gruppen in der EU schlicht verloren gegeben wird, ist das selbstgerecht und einfach nicht gut genug für Gesellschaften, deren offizielle Philosophie gleichzeitig die des „sozialen Rechtsstaats“ ist. „Bildung zum Beispiel“, so der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, Kishore Singh, „vermag den Teufelskreis der Ausgrenzung der Roma zu durchbrechen. Jedoch werden Roma-Kinder häufig segregiert und in benachteiligte Schulen geschickt, wo sie zusammen mit Kindern anderer ausgegrenzter Gruppen die akzeptierten Bildungsstandards von vornherein nicht erreichen können.“ Mehr als sechzig Jahre nach der Annahme der Menschenrechtserklärung durch die „Staatengemeinschaft“, von der Herr Westerwelle so gern schwadroniert, wird Roma-Kindern in der EU eine chancengerechte Bildung immer noch verweigert. Dass dies auch für die meisten Sinti-Kinder in Deutschland gilt, davon kann man sich in den Ghetto-Vierteln vieler größerer und kleinerer Städte überzeugen.
Dass sich die reichen EU-Länder aus Hilfskampagnen wie der „Dekade der Inklusion der Roma“ („Decade of Roma Inclusion“, ausgerufen 2005, als einziges westeuropäisches Land dabei: Spanien) heraushalten, wundert da nicht. Solange dies so bleibt, bleibt auch die Sonntagsrede vom inklusiven Wachstum nur Blahblah.
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