Wir freuen uns mit Andrei Sannikow, Dmitri Bondarenko und einem weiteren Mitgefangenen, die gestern und vorgestern aus den Haftanstalten in Witebsk und Mogilew entlassen wurden. Insbesondere die Begnadigung des vormaligen Präsidentschaftskandidaten Andrei Sannikow durch den Diktator Lukaschenko, die nach massivem Druck der Weltöffentlichkeit erfolgte, wird jetzt vielerorts als Zeichen gewertet, dass das Regime in seiner Haltung gegenüber der demokratischen Opposition einlenkt. Das Regime hatte Sannikow zuvor großem physischen und psychischen Druck ausgesetzt, unter anderem durch ständige Verlegungen in andere Gefängnisse, um ihn zur Unterzeichnung eines Gnadengesuches zu erpressen.
Man sollte zudem keinesfalls übersehen, dass ca. zehn weitere führende Oppositionelle weiterhin in Haft sind, unter anderem Dmitri Daschkewitsch, Eduard Lobow, Pawel Sewjarynez, Michajlow Statkewitsch und Alex Bialiatsky. Ganz abgesehen von wahrscheinlich hunderten weniger bekannten Opfern des Regimes, die entweder unmittelbar nach den Protest-Demonstrationen im Dezember 2010 oder – wie der prominente Menschenrechtsanwalt Alex Bialiatsky – in mehreren seitdem laufenden Verhaftungswellen aufgrund hergesuchter Anschuldigungen – im Fall Bialiatskys angebliche Steuerhinterziehung – eingekerkert wurden. Weitere stehen unter Hausarrest.
Für Donnerstag wird eine Rede von Lukaschenko erwartet, in der er vermutlich versuchen wird, seine sinkenden Umfragewerte zu reparieren und mit „alle in einem Boot“-Parolen die belorussische Mehrheitsbevölkerung hinter sich zu scharen.
Dabei können wir nicht ignorieren, dass in Belarus außer den prominenten Protestlern viele Menschen unter dem Regime leiden, die nicht die Aufmerksamkeit der Medien erregen. Dazu gehören auch Roma, vorwiegend Jerli und Lowara, aber auch viele Jenische. Wie in anderen Ländern Europas leben viele von ihnen am Rande der Städte und Dörfer in menschenunwürdigen Behausungen, bekommen keine Arbeit, ihre Kinder werden in der Schule benachteiligt und haben kaum Zugang zu Ausbildungsplätzen. Es ist die übliche Situation ausgegrenzter Gruppen: die Gesellschaft drängt sie in Lebensbedingungen, die mit den geltenden Normen kollidieren, und bestraft sie dann dafür, dass sie sich nicht normengerecht verhalten. Da sie in Belarus weniger als 1 % der Bevölkerung ausmachen, kümmert sich kein Mensch um sie, auch kein Amnesty International oder Worldwatch Institute. Globale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sollten auch etwas damit zu tun haben, vergessene Menschen wiederzufinden und mitzunehmen.
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