Am 16. Mai sollten alle Rassisten sich vorsehen: es ist der Tag des Roma-Widerstandes, Roma Resistance Day.
Was geschah am 16. Mai 1944? Es war im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Dort gab es einen besonderen Abschnitt: Auschwitz-Birkenau B II e. Das „Zigeunerlager“ nannten es die Nazis.
Wie die Juden wurden auch die nach Auschwitz deportierten Sinti und Roma nicht alle gleich vergast. Die jüngsten, stärksten und gesündesten von ihnen wurden zur Seite geschickt und im Abschnitt B II e untergebracht. Auch Kinder und Frauen waren dabei, vor allem der KZ-Arzt Mengele, ein sadistischer Geisteskranker, interessierte sich für Kinder, an denen er seine widerwärtigen Experimente vornehmen konnte. Abschnitt B II e war deshalb ein gemischter Lagerbereich, ein so genanntes Familienlager. Dort wurden Männer, Frauen und Kinder zusammen gefangen gehalten. Sie wurden zur Sklavenarbeit gezwungen, gefoltert oder zu perversen, angeblich medizinischen Versuchen missbraucht. Viele von ihnen starben dabei.
Im Mai 1944 hatte die SS vor, den Abschnitt B II e zu schließen und die dort noch lebenden Roma und Sinti in den Gaskammern von Birkenau zu ermorden. Im „Zigeunerlager“ lebten damals noch mehr als 6000 Gefangene. Am 16. Mai 1944 sollte das Lager „liquidiert“ werden, so nannten die Nazis die Schließung von Lagern und Ghettos und die Ermordung der Insassen.
Aber es gab in Auschwitz eine heimlich arbeitende Widerstandsgruppe. Sie erfuhr von den Plänen der SS und informierte am 15. Mai die Gefangenen von B II e darüber, was die Lagerleitung vorhatte. Aufgrund dieser Warnung verabredeten die Häftlinge über Nacht, sich am nächsten Tag gegen das Vorgehen der SS zu wehren. Am Morgen des 16. Mai weigerten sich alle, ihre Baracken zum Morgenappell zu verlassen. Sie missachteten die Drohungen der Wachmannschaften und gehorchten ihren Befehlen nicht mehr. Stattdessen verbarrikadierten sie sich in den Hütten. Einige waren in eine Gerätebaracke eingebrochen und hatten sich Werkzeug besorgt, das man als Waffe benutzen konnte: Hämmer, Picken und Spaten. Andere rissen die Kojen auseinander, um sich aus dem Holz Knüppel und Keulen zu machen. Viele der Kinder hatten Steine aufgesucht.
Als die SS in den Lagerabschnitt B II e vorrückte, erwartete sie ein Hagel von Steinen und anderen Gegenständen. Die Sinti und Roma weigerten sich, die schützenden Baracken zu verlassen. Sie wehrten die eindringenden Wachmannschaften ab. Einige erbeuteten Gewehre, mit denen sie auf die SS zu schießen begannen. Alle kämpften um ihr Leben und ihre Würde als Volk.
So etwas hatte es in Auschwitz bis dahin nicht gegeben. Die SS war regelrecht schockiert. Sie hatten keinen Widerstand erwartet. Die Offiziere fürchteten, der Aufstand könnte sich auf andere Teile von Auschwitz und Birkenau ausbreiten. Die SS zog sich zurück. An diesem Tag, dem Tag des Widerstandes, wurden kein Roma und kein Sinto vergast.
Die Nazis bestraften die Sinti und Roma mit dem Entzug der ohnehin kärglichen Nahrung. Am 23. Mai 1944 transportierten sie 1 500 arbeitsfähige Häftlinge ins Stammlager Auschwitz I und von dort die meisten ins KZ Buchenwald. Am 25. Mai 1944 wurden weitere 82 Roma ins KZ Flossenbürg abtransportiert, und 144 Romni ins Frauen-KZ Ravensbrück.
Weniger als 3000 Gefangene blieben im “Familienlager” B II e. Die meisten von ihnen waren Kinder. Am 2. August 1944 in der Nacht und am Morgen des 3. August wurden sie alle in der Gaskammer V von Birkenau ermordet. Diesmal war ihre Gegenwehr erfolglos, sie waren zu wenige und zu schwach. Der 2. August wird deshalb der Gedenktag des Roma-Holocaust genannt. Aber am 16. Mai gedenken wir des Roma Resistance Day, des Tages, an dem Roma und Sinti Widerstand leisteten.
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